Die Fonds-Passportierung folgt derselben Logik wie das Schengen-Gebiet: gemeinsame Standards, gegenseitiges Vertrauen und grenzenlose Bewegung. Luxemburg steht im Zentrum dieses Modells.
Wer im luxemburgischen Ort Schengen steht, dort wo Luxemburg auf Frankreich und Deutschland trifft, erkennt zunächst nur ein ruhiges Weindorf am Moselufer. Doch genau hier wurde die Schengen-Vereinbarung unterzeichnet, eine der wichtigsten politischen Entscheidungen Europas. Ihr Grundgedanke war einfach und zugleich revolutionär: Wenn die Kontrollen am Einstiegspunkt ausreichend vertrauenswürdig sind, kann sich Menschenverkehr innerhalb der Grenzen frei bewegen.
Der AIFMD-Pass funktioniert nach demselben Prinzip. Wird ein Fonds in einem europäischen Mitgliedstaat zugelassen, kann er anschließend im gesamten Binnenmarkt vertrieben werden, ohne in jedem Land erneut eine vollständige Zulassung durchlaufen zu müssen. Ein einziger Aufsichtsrahmen reicht aus, damit ein Produkt viele Grenzen überqueren kann. Es ist das finanzielle Gegenstück zu dem, was Schengen für Personen erreicht hat.
Luxemburg passt natürlich in dieses Bild. Hier wurde das ursprüngliche Schengen-Abkommen geschlossen, und hier entstand auch das weltweit führende Zentrum für grenzüberschreitende Fonds. Internationale Asset Manager wählen Luxemburg nicht nur wegen seiner Strukturen, sondern weil sie wissen, dass ein Pass mehr ist als ein regulatorisches Werkzeug. Er ist ein Ausdruck gemeinsamen Vertrauens und vorhersehbarer Regeln.
Die eigentliche Herausforderung liegt heute außerhalb Europas. Ein EU-Pass ist im Binnenmarkt sehr stark, öffnet jedoch nicht automatisch Türen in Märkten wie Singapur, Dubai oder São Paulo. Jede Region hat weiterhin eigene Anforderungen, Meldepflichten, steuerliche Rahmenbedingungen und kulturelle Erwartungen. Die Vertriebspraxis ist global, doch die Regulierung bleibt lokal.
Genau hier zeigt sich die strategische Bedeutung Luxemburgs. Das Ökosystem im Land verfügt über eine besondere Expertise im Umgang mit diesem regulatorischen Flickenteppich. AIFMs, Administratoren und Kanzleien kennen die Unterschiede zwischen Private Placement und Registrierungspflicht, die nationalen Vertriebshürden und die strukturellen Anpassungen, die für unterschiedliche Kontinente notwendig sind. In einer fragmentierten Welt wird diese Kompetenz zu einem echten Wettbewerbsvorteil.
Die Schengen-Analogie erinnert daran, dass Grenzfreiheit nicht durch den Abbau von Regeln entsteht, sondern durch gemeinsam akzeptierte Standards. Investoren vertrauen luxemburgischen Fonds, weil sie dem dahinterstehenden Aufsichtsmodell vertrauen. Je stärker dieses Vertrauen ist, desto leichter wird die grenzüberschreitende Distribution.
Die Schengen-Vereinbarung war keine leise Entscheidung, sondern ein großer europäischer Schritt, der den Kontinent dauerhaft verändert hat. Sie zeigt, was möglich ist, wenn Staaten sich auf gemeinsame Standards und ein gemeinsames Ziel einigen.
Die globale Fondsindustrie steht vor einer ähnlichen Aufgabe. Harmonisierte Reporting-Standards, digitale Fondsidentitäten und eine leichtere Anerkennung von Due-Diligence-Prozessen könnten den globalen Vertrieb wesentlich effizienter machen. Europa hat intern gezeigt, wie gut ein solches System funktionieren kann. Weltweit gibt es noch keine vergleichbare Lösung.
Wenn Luxemburg dabei hilft, diese Philosophie des gegenseitigen Vertrauens international zu verankern, könnte der globale Fondsvertrieb eines Tages so reibungslos funktionieren wie der Grenzübertritt in Schengen.
Christophe Santer ist Kolumnist für Investment Officer Luxembourg. Der gebürtige Luxemburger verfügt über fast zwei Jahrzehnte Erfahrung in der Fondsadministration, im Investor Services-Bereich und in den Private Markets. Außerdem arbeitet er als Director of Business Development bei bunch.