Robinhood last year signed a three-year deal to sponsor French football club OGC Nice. Photo: OGC Nice.
Robinhood last year signed a three-year deal to sponsor French football club OGC Nice. Photo: OGC Nice.

Robinhood, der Broker aus dem Silicon Valley, der sich dadurch einen Namen gemacht hat, dass er die Wall Street mit seinem provisionsfreien Handel und seinen unzähligen Meme-Aktien aufmischt, wagt den Sprung nach Europa. Seine Strategie? Die Aktienmärkte mithilfe der Blockchain neu erschließen.

Mit seinen tokenisierten Versionen von amerikanischen Blue-Chip-Aktien umgeht das Unternehmen die traditionelle Wertpapierlizenzierung und verspricht zugleich einen völlig neuen Marktzugang, der rund um die Uhr zur Verfügung steht. Damit sieht sich das europäische Finanzwesen jetzt von der Frage konfrontiert, ob die eigenen Banken und Regulierungsbehörden auf die Geschwindigkeit und das Ausmaß des nächsten disruptiven Schubs von Robinhood vorbereitet sind.

Bei der Telefonkonferenz zu den Q2-Ergebnissen letzt Woche hat CEO von Robinhood, Vlad Tenev, den Begriff der ‚Tokenisierung‘ ganz elfmal erwähnt. Und das war bestimmt kein Zufall. Der US-Broker, der vor allem für seine gamifizierte Trading-App und seinen Einfluss mit Aktien-Memes bekannt ist, hat die Blockchain-basierte Darstellung von Vermögenswerten zu einem Eckpfeiler seiner europäischen Expansion gemacht. 

‚Die Tokenisierung macht den Weg frei für eine massive Handelsrevolution‘, sagte Tenev und bezeichnete sie als ‚die größte Innovation auf den Kapitalmärkten seit mehr als einem Jahrzehnt‘.

Einen Monat zuvor wurden die tokenisierten Produkte von Robinhood in allen 31 europäischen Ländern eingeführt. Damit können Nutzer rund um die Uhr mit synthetischen Versionen von US-Aktien wie Apple und Nvidia handeln, und das sogar provisionsfrei. Hinter den Tokens der börsennotierten Unternehmen verbergen sich reale Aktien, die von einem Verwahrer gehalten werden, und den Nutzern werden entsprechende Ansprüche auf Basis der Blockchain angeboten.

Amsterdam und Vilnius

Nachforschungen haben ergeben, dass sich Robinhood diesen Sommer im litauischen Vilnius niedergelassen hat und sowohl eine Lizenz für Finanzmakler der Kategorie A als auch eine MiCA-Lizenz für Krypto-Asset-Dienstleister von der Bank von Litauen erhalten hat. Diese Genehmigungen ermöglichen es dem Unternehmen, in der gesamten EU gemäß MiFID II als Makler tätig zu sein, während die Krypto-Lizenz EU-weite Passporting-Rechte für die eigenen Dienstleistungen im Bereich der digitalen Vermögenswerte gewährt.

Die europäischen Aktivitäten von Robinhood werden von Amsterdam aus gesteuert, wo das Unternehmen Büroräume im Geschäftsviertel Zuidas gemietet hat und sich am 17. April 2025 offiziell als ausländischer Finanzdienstleister bei der niederländischen Aufsichtsbehörde AFM registriert hat.

‚Das Amsterdamer Büro in der Strawinskylaan 3101 liegt im Herzen Europas und dient als Tor für die europäischen Aktivitäten von Robinhood, um das internationale Wachstum zu fördern‘, so die Plattform Clay, die Amsterdam als eine von sechs Hauptstädten auflistet, in denen Robinhood vertreten ist. In den Niederlanden wurde Robinhood bereits formell als Robinhood Europe BV und ab 2020 als Sherwood Netherlands BV registriert.

Alles andere als subtil

Die Ambitionen von Robinhood sind alles andere als subtil. In einem Interview mit Bloomberg kündigte Tenev vor Kurzem die Einführung einer kompletten Bankplattform mit Giro- und Sparkonten an, die alteingesessene Kreditgeber und Neobanken in Amerika Europa gleichermaßen auf den Plan ruft.
‚Jedes Finanzunternehmen konkurriert mit jedem anderen Unternehmen‘, sagte er. ‚Wenn Ihr Ziel darin besteht, Kundenwerte und mehr Anteile am Portfolio zu erhalten, dann verschwimmen die Wettbewerbslinien.‘

Jeroen van Oerle, Portfoliomanager bei Lombard Odier IM und Spezialist für Finanzinnovationen, warnt davor, dass die europäischen Banken das Risiko unterschätzen. ‚Die großen Banken fühlen sich wohl in ihrer dominanten Position‘, sagte er. ‚Aber ohne Innovationen riskieren sie den Verlust von Marktanteilen, besonders bei jüngeren Nutzern.‘

Van Oerle sieht deutliche Parallelen zu den Geschehnissen an den Devisenmärkten, wo Wise und andere kostengünstige Plattformen die Gewinnspannen der Banken immer weiter ausgehöhlt haben. ‚Tut es schon weh? Vielleicht noch nicht. Aber das kommt noch, und dann könnte es zu spät für die technologische Aufholjagd sein.‘

Trotz dieser Signale schweigen die meisten Banken. Investment Officer hat mehrere große Institute in den Niederlanden und in ganz Europa zu Robinhood befragt. Auf diese Anfragen gab es überhaupt keine Reaktion.

In den USA hat sich die Formel von Robinhood als erfolgreich erwiesen. Robinhood Markets Inc. hat am vergangenen Mittwoch einen Umsatzsprung um 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und einen Gewinn gemeldet, der sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt hat. Der Umsatz im zweiten Quartal belief sich auf 989 Mio. Dollar und hat damit die FactSet-Prognose von 915 Mio. Dollar übertroffen, wie Marketwatch berichtet. Der Aktienkurs von Robinhood ist in diesem Jahr um mehr als 160 Prozent gestiegen und hat sich seit seinem Tiefstand im April fast verdreifacht.

Der sprunghafte Anstieg des Aktienkurs von Robinhood

 
Es könnte kostspielig werden, wenn man hier in der Zuschauerrolle bleibt, sagte Jamie Dimon, CEO von JPMorgan, auf der Bilanzkonferenz des Unternehmens für das zweite Quartal.

‚Das sind wirklich clevere Jungs‘, sagte Dimon über seine Fintech-Konkurrenten. ‚Sie versuchen, einen Weg zu finden, Bankkonten einzurichten, in Zahlungssysteme und Belohnungsprogramme einzusteigen, das muss uns ganz klar sein. Und zu dieser Klarheit gehört, dass man sich einbringt.‘

Ein anderes Spiel in Europa

Anders als in den USA hängt die Expansion von Robinhood in Europa von der Tokenisierung ab. Denn das Unternehmen geht bestimmten Anforderungen an die Wertpapierlizenzierung ganz bewusst aus dem Weg, indem es nach MiCA, den Krypto-Regeln der EU, arbeitet. In Großbritannien bietet die App einen direkten Aktienhandel an. In der EU und dem EWR können Nutzer nur auf synthetische Token zugreifen, die nicht über Stimmrechte oder Anlegerschutz im Rahmen herkömmlicher Entschädigungssysteme verfügen.

Für den Markteinstieg von Robinhood ist das aktuell ausreichend. Allerdings wird dadurch auch die Legitimität des Produkts in den Augen einiger Investoren und Aufsichtsbehörden eingeschränkt. So hat OpenAI beispielsweise öffentlich Einspruch dagegen erhoben, dass seine Aktien von Robinhood in Token umgewandelt werden. Kurz darauf hat die amerikanische Börsenaufsicht SEC davor gewarnt, dass auch tokenisierte Wertpapiere den Wertpapiergesetzen entsprechen müssen.

Tenev hat diese Warnung als unspezifisch zurückgewiesen. Dennoch räumte er ein, dass an der Regulierungsfront ‚einige Dinge passieren müssen‘, bevor sich die Tokenisierung wirklich ausbreiten kann, einschließlich einer Reform der Gesetze zur Anlegerakkreditierung.

Die Einrichtung von Schutzvorkehrungen

Diese Regulierungslücke hat Robinhood nicht davon abgehalten, den Grundstein für eine umfassendere Transformation zu legen. Der Tokenisierungsplan von Robinhood umfasst drei Phasen. Erstens: Ein nachhaltiges Token-Angebot für wichtige US-Aktien schaffen. Zweitens: Den Handel mit diesen Token auf der europäischen Kryptobörse Bitstamp zu ermöglichen, die man Anfang des Jahres erworben hat. Drittens: Integration der Aktien-Token in dezentrale Finanz- bzw. DeFi-Protokolle, die es den Nutzern ermöglichen, Vermögenswerte direkt auf der Blockchain zu handeln, zu verleihen oder zu besichern.

‚Die technischen Möglichkeiten sind schon da‘, so Tenev weiter. ‚Es geht nur darum, den Regulierungsprozess zu durchlaufen.‘

Die Strategie entspricht einer breiteren Verlagerung der Fintechs, die Finanzdienstleistungen von Grund auf mit Hilfe der Blockchain-Architektur neu aufbauen. Schon 2022 hat Larry Fink, der CEO von BlackRock, die Tokenisierung als ‚die nächste Generation für die Märkte‘ bezeichnet. Aber bis heute haben es nur wenige geschafft, in dieser Geschwindigkeit so weit wie Robinhood zu kommen.

Trotzdem sind nicht alle davon überzeugt, dass das Modell in Europa erfolgreich sein wird.

‚Man sollte nicht davon ausgehen, dass Robinhood auch in Europa tun kann, was in den USA erlaubt ist‘, sagte Van Oerle. ‚Es ist unwahrscheinlich, dass Stablecoins hier so durchstarten wie in den USA, da Europa sich auf digitale Währungen der Zentralbanken zubewegt und Stablecoins unter der MiCA-Regulierung betreibt, sodass ganz andere Regeln als beim Regulierungssystem von Trump in den USA gelten. Und die Tokenisierung privater Aktien? Wird in ihrer jetzigen Form niemals durchkommen. Ehrlich gesagt, ist noch nicht einmal klar, ob das in den USA vollkommen legal ist.‘

‚Europa mag zwar Wachstumspotenzial bieten, aber letztlich gelten hier ganz andere regulatorische Regeln. Daher bleibt es fraglich, ob das der richtige Schritt für Robinhood ist‘, sagte er.

Auf eine Anfrage zur Besprechung seiner Europapläne mit Investment Officer hat Robinhood bislang nicht reagiert.

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