Die Mehrheit der großen Vermögensverwalter hegt für das Jahr 2026 den größten Optimismus hinsichtlich Aktien, insbesondere solcher aus Schwellenländern. US-Aktien bleiben ein strategischer Eckpfeiler, während Europa und Japan eine kleinere, aber zunehmende Rolle in der geografischen Verteilung spielen.
Dies ist das Ergebnis einer groß angelegten, repräsentativen Umfrage von Investment Officer unter fast 30 großen Vermögensverwalten zu den Aussichten für 2026. Sechzig Prozent wählen Aktien als ihre Lieblingskategorie für das nächste Jahr, die Hälfte davon bevorzugt speziell EM-Aktien.
Die Tatsache, dass Aktien aus diesen Märkten im Allgemeinen niedriger und attraktiver bewertet sind, ist das am häufigsten angeführte Argument. „Trotz des starken Anstiegs seit dem Tief im April sind die Bewertungen im Vergleich zu US-Aktien immer noch relativ attraktiv“, sagte Paul Diggle, Chefökonom von Aberdeen. Mehrere Fondshäuser erwarten auch, dass eine Abschwächung oder Stabilisierung des Dollars den Schwellenländern zusätzlichen Rückenwind geben wird.
Insgesamt sehen die Vermögensverwalter eine Verbesserung des allgemeinen Aktienklimas. Sinkende Zinsen, eine abnehmende Inflation und geldpolitische oder fiskalische Anreize bilden ihrer Ansicht nach die Grundlage für ein günstiges Jahr für Aktien. Sie erwähnen insbesondere die Lockerung der Schuldenbremse in Deutschland und die Strukturreformen in Japan. In den USA hingegen sei der Stimulans angesichts der niedrigen Arbeitslosenquote „beispiellos“, meint die Strategin Lilia Peytavin von JP Morgan Asset Management. „Nie zuvor haben wir außerhalb von Rezessionen Haushaltsdefizite oder Zinssenkungen in diesem Ausmaß gesehen.“
Nach Ansicht der befragten Experten wird das günstige Umfeld zu einem starken und beständigen Gewinnwachstum der Unternehmen führen, wobei insbesondere die Gewinnmargen der US-Unternehmen auf Rekordniveau steigen werden. „Im Moment erkennen wir keine klare Bedrohung für die Gewinne der Unternehmen“, sagt Fabiana Fedeli, CIO bei M&G Investments. Fedeli weist jedoch darauf hin, dass die Auswirkungen der US-Importzölle noch nicht in vollem Umfang sichtbar seien.
Ein Drittel der Fondshäuser, die sich für Aktien entscheiden, bevorzugen US-Aktien. Zu dieser Gruppe gehört unter anderem Columbia Threadneedle. „Trotz des Gegenwinds durch die Importzölle haben sich die US-Unternehmen gut auf die neue Situation eingestellt und sich für ein Gewinnwachstum im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich positioniert“, meint William Davies, CIO von Columbia Threadneedle.
Eine kleine Anmerkung wird jedoch gemacht: Mehrere Experten verweisen auf die hohen Bewertungen an den Aktienmärkten. Sie betrachten insbesondere US-Aktien als teuer, vor allem Mega Caps und KI-bezogene Aktien. Dennoch sehen die meisten Experten dies nicht als Hindernis für weitere Kurssteigerungen, auch wenn dies das Aufwärtspotenzial im Vergleich zu früheren Phasen begrenzt.
Künstliche Intelligenz
Investitionen in künstliche Intelligenz können das Gewinnwachstum unterstützen, da sie zu höherer Produktivität und besseren Margen führen sollten. Experten zufolge können Technologieunternehmen vom KI-Boom profitieren, aber auch Finanzinstitute, Industrie- und Versorgungsunternehmen. Die Produktivitätsgewinne in diesen Branchen sind von den Anlegern noch nicht vollständig eingepreist.
Das Thema KI sei auch ein wichtiger Treiber für den chinesischen Aktienmarkt, sagt Diggle von Aberdeen und merkt an, dass es dort auch mehr Spielraum nach oben gebe als in den USA. Salman Ahmed, Global Head of Macro and Strategic Asset Allocation bei Fidelity International, fügt hinzu: „Der chinesische und der US-amerikanische Technologiemarkt korrelieren immer weniger miteinander, da die beiden Länder bei der Weiterentwicklung der KI unterschiedliche Ansätze verfolgen. Daher halten wir es für klug, einen breiten Korb von Technologiewerten aus China und den USA zu halten.“
Anleihen
Nicht alle befragten Vermögensverwalter bevorzugen Aktien. Mehrere Akteure sehen stattdessen aufgrund der hohen Bewertungen am Aktienmarkt Raum für einen defensiveren Ansatz, zum Beispiel durch Anleihen. Sie verweisen auf höhere Anfangsrenditen, insbesondere bei hochwertigen festverzinslichen Wertpapieren.
Einige Akteure sehen, auch aufgrund der Einführung von KI-Lösungen, Chancen in Infrastrukturanleihen. Diese generieren stabile inflationsgeschützte Erträge, sind durch Sachwerte gedeckt und bieten Schutz vor Abwärtsrisiken. „Projekte im Zusammenhang mit der Infrastruktur und der Energiewende könnten die nächste Wachstumsphase für Europa einläuten“, meint der Chefstratege von Blackrock Niederlande, Roelof Salomons.
Auch inflationsindexierte Anleihen werden ausdrücklich erwähnt. Die Anleger rechnen in ihren Erwartungen mit einer künftig niedrigeren Inflation als derzeit. Daher können diese Anleihen einen zusätzlichen Schutz vor einer unerwartet hohen Geldentwertung bieten.
Ferner werden Schwellenländeranleihen aufgrund höherer Realzinsen, sinkender Inflation und einer strafferen Finanzpolitik in vielen Ländern regelmäßig als Favoriten genannt. Ein schwächerer US-Dollar könnte auch Schwellenländeranleihen unterstützen. Die Anleger schauen unter anderem auf Staatsanleihen aus Brasilien, Mexiko und Südafrika, wo die Leitzinsen weiterhin hoch und die Renditekurven steil sind.
Darüber hinaus erhalten europäische Schuldtitel aufgrund des stabilen makroökonomischen Umfelds und der niedrigen Ausfallraten positive Aufmerksamkeit.
Die Zinskurven sind steil und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist unterstützend. Für US-Anleger bieten europäische Staatspapiere attraktive Renditen und Schutz vor Währungsrisiken.
„Globale Staatsanleihen können wieder eine wichtige Rolle bei der Diversifizierung spielen“, argumentiert Anwiti Bahuguna, Co-CIO von Northern Trust Asset Management. Ihrer Meinung nach müssen sich Anleger dabei nicht mehr ausschließlich auf US-Staatsanleihen verlassen.
Laut Salomons von Blackrock müssen Anleiheinvestoren die steigende Verschuldung jedoch genau im Auge behalten. „Die meisten Länder haben ihre Verschuldung bereits ausgeschöpft, sodass die fiskalische Entwicklung genau beobachtet werden muss. Der Schwerpunkt liegt auf sicheren und stabilen Anlagen“, meint Salomons.
„Für alle Anlageklassen gilt, dass Anleger in einer Welt, in der sich die Inflation zwar abkühlt, aber strukturell höher ist als vor der Corona-Pandemie, und in der sich das finanzielle Klima entspannt, ohne sich vollständig zu normalisieren, flexibel bleiben müssen“, so Bahuguna von Northern Trust abschließend.
Investment Officer Outlook Survey 2026
Dieser Artikel gehört zu einer fünfteiligen Serie basierend auf einer Umfrage, die Investment Officer im November an in Europa tätige Vermögensverwalter verschickt hat. Die Ergebnisse stammen von schriftlichen Antworten von Strategen und Investoren bei Aberdeen, Aegon Asset Management, Amundi, Blackrock, Capital Group, Cardano, Carmignac, Columbia Threadneedle Investments, Comgest, DWS, Fidelity International, Goldman Sachs Asset Management, Invesco, JP Morgan Asset Management, Legal & General Investment Management, M&G Investments, MFS Investment Management, Natixis Investment Managers, Northern Trust Asset Management, Nuveen, PGIM Fixed Income, Pictet Asset Management, RBC Bluebay, Robeco, Schroders, Triodos Investment Management, Van Lanschot Kempen und Vanguard. Zusammen verwalten diese Vermögensverwalter ein geschätztes Vermögen von 54 000 Milliarden Dollar weltweit, was mehr als 40 Prozent des Marktes entspricht.