Viele Fondshäuser betrachten den Liberation Day, den Tag, an dem Präsident Trump exorbitant hohe US-Handelszölle angekündigte, als überraschenden Moment des Jahres 2025, so zeigt der Investment Officer Outlook Survey 2026. Was jedoch noch mehr Vermögensverwalter überraschte, war die Tatsache, dass die Märkte in den folgenden Monaten wieder zur Tagesordnung übergingen, als ob es kein Problem gäbe.
In der Umfrage von Investment Officer wurden 28 Vermögensverwalter gefragt, wie sie auf das vergangene Jahr zurückblicken und welche Erwartungen sie für 2026 haben.
Bei der Frage, was der spannendste Moment des Jahres 2025 war, müssen die Strategen nicht lange überlegen. Am ersten Handelstag nach dem Liberation Day verloren der S&P500 fast 5 Prozent und der Technologieindex Nasdaq etwa 6 Prozent. Die Aussicht, dass Trumps Zölle einen globalen Handelskrieg auslösen könnten, ließ die Anleger schaudern. Obwohl die protektionistischen Ansichten des US-Präsidenten keineswegs ein Geheimnis waren, waren viele dennoch überrascht, als er seinen Worten Taten folgen ließ.
„Der Markt wusste selbstverständlich um das Risiko eines starken Anstiegs der Zölle unter Trump“, blickt Paul Diggle, Chefökonom bei Aberdeen, zurück. „Aber schon zu Beginn seiner zweiten Amtszeit zeichnete sich ab, dass er eine sehr markt- und wachstumsfreundliche Politik verfolgen würde. Daher war das Ausmaß der Zollankündigungen am Liberation Day ein gewaltiger Volatilitätsschock für die Märkte.“
„Anfangs waren einige skeptisch, ob Donald Trump seine Zolldrohungen tatsächlich auf breiter Ebene umsetzen würde. Dass er die Zölle tatsächlich erhöhte, hat zu dem erheblichen Ausverkauf am Markt rund um den Liberation Day beigetragen“, sagt auch Robert Griffiths, Aktienstratege bei L&G.
Die größte Überraschung des Jahres 2025*
*28 Vermögensverwalter über die ihrer Meinung nach größte Überraschung des Finanzjahres 2025
Markt ohne Angst
Zehn der 28 befragten Fondshäuser bezeichneten den Liberation Day als die Überraschung des vergangenen Geschäftsjahres. Elf andere Vermögensverwalter meinten, dass sie von dem, was danach kam, noch überraschter waren: erstaunlich robuste Finanzmärkte. Der Volatilitätsindex VIX, der auch als ,Angstbarometer‘ der Wall Street bezeichnet wird, erreichte Anfang April seinen höchsten Stand seit Ausbruch der Coronakrise. In den folgenden Monaten ebbte die Nervosität jedoch vollständig ab und der VIX bewegte sich sorgenfrei auf sehr beruhigendem Niveau.
„Die Angst vor Zöllen hatte nicht die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Märkte, die viele befürchtet haben. Nach den Marktturbulenzen unmittelbar nach dem 2. April haben sich die risikobehafteten Märkte erholt und die Wirtschaftstätigkeit bleibt robust“, stellt Guillermo Felices, Stratege bei PGIM, fest.
„Das herausragende Merkmal dieses Jahres ist die Fähigkeit des Marktes, sich schnell anzupassen und Widerstandsfähigkeit zu zeigen“, sagt auch Romain Aumond, Stratege bei Natixis. „Die Erwartungen basieren jetzt eher auf strukturellen Trends als auf der Stimmung.“
Salman Ahmed, sein Kollege bei Fidelity, ist hingegen der Meinung, dass die Märkte einige negative strukturelle Trends einfach ignorieren. „Die größte Überraschung im Jahr 2025 war die unerwartete Stärke des kurzfristigen Umfelds für risikobehaftete Vermögenswerte, obwohl mehrere tiefer liegende strukturelle Risiken schneller als erwartet zugenommen haben, verstärkt durch die Politik der US-Regierung.“
KI-Boost
Mehrere Fondshäuser sind der Meinung, dass die positiven Entwicklungen bei den US-Big-Tech die negativen Auswirkungen der Importzölle überwiegen könnten.
„Trotz der weit verbreiteten Unsicherheit darüber, wie diese Zölle die Wirtschaft beeinflussen und den Weg zur geldpolitischen Normalisierung erschweren werden, haben die USA gezeigt, dass sie in der Lage sind, Schocks zu absorbieren, ohne dass das Wachstum entgleist“, analysiert Anwiti Bahuguna, Co-Chief Investment Officer bei Northern Trust AM.
„Interessanterweise hat sich die Technologiebranche als Ausreißer erwiesen: Sie hat nicht nur die Turbulenzen überstanden, sondern auch immer wieder für positive Überraschungen in Bezug auf Gewinne und Innovationen gesorgt. Diese Widerstandsfähigkeit wurde durch starke Unternehmensbilanzen, flexible Lieferketten und einen anhaltenden Appetit auf Technologieinvestitionen gestützt, die dazu beitrugen, die Auswirkungen höherer Importkosten und die Unsicherheit in anderen Teilen der Wirtschaft auszugleichen.“
Griffiths von L&G: „Das Wachstum wurde durch den KI-Investitionsboom gestützt, also ist es vielleicht auch eine Glückssache. Dennoch haben die begrenzten negativen Auswirkungen der Zölle den Aktienmärkten in der zweiten Jahreshälfte zu einem Anstieg verholfen.“
Investment Officer Outlook Survey 2026
Dieser Artikel ist der erste einer fünfteiligen Serie basierend auf einer Umfrage, die Investment Officer im November an in Europa tätige Vermögensverwalter verschickt hat. Die Ergebnisse stammen von schriftlichen Antworten von Strategen und Investoren bei Aberdeen, Aegon Asset Management, Amundi, Blackrock, Capital Group, Cardano, Carmignac, Columbia Threadneedle Investments, Comgest, DWS, Fidelity International, Goldman Sachs Asset Management, Invesco, JP Morgan Asset Management, Legal & General Investment Management, M&G Investments, MFS Investment Management, Natixis Investment Managers, Northern Trust Asset Management, Nuveen, PGIM Fixed Income, Pictet Asset Management, RBC Bluebay, Robeco, Schroders, Triodos Investment Management, Van Lanschot Kempen und Vanguard. Zusammen verwalten diese Vermögensverwalter ein geschätztes Vermögen von 54 000 Milliarden Dollar weltweit, was mehr als 40 Prozent des Marktes entspricht.