Vlaggen Europese landen
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Getrieben von immer niedrigeren Renditen und immer strengeren Kapitalanforderungen haben sich niederländische, belgische, französische und deutsche Versicherungsgesellschaften in den letzten Jahren massenhaft aus Staatsanleihen verabschiedet. Die frei gewordenen Mittel wurden in erster Linie in Unternehmensanleihen und private Schuldtitel investiert.

Nur bei den belgischen Versicherungsgesellschaften machen Staatsanleihen im Jahr 2025 noch einen beträchtlichen Anteil der Bilanz aus: 59 Prozent. Vor fünf Jahren waren es noch 70 Prozent. In absoluten Zahlen bedeutet dies einen Rückgang von 149 Milliarden Euro auf 101 Milliarden Euro, also um fast ein Drittel. In den Niederlanden sanken die Investitionen der Versicherungsgesellschaften in Staatsanleihen innerhalb von fünf Jahren um 50 Prozent, von 43 auf rund 21 Milliarden Euro. In Frankreich und Deutschland ist ein Rückgang von 33 Prozent zu verzeichnen, was insgesamt Hunderte Milliarden von Euro ausmacht.

Diese Zahlen stammen aus den vierteljährlichen Berichten, die die Versicherungsgesellschaften gemäß Aufsichtsrichtlinie Solvabilität II an die europäische Aufsichtsbehörde Eiopa übermitteln müssen. Wim Nagler, Head of Insurance EMEA bei Schroders, hat sich für Investment Officer angesehen, wie die großen Versicherungsgesellschaften in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Deutschland auf die veränderten Marktbedingungen und die veränderten Kapitalanforderungen der letzten Jahre reagiert haben.

Von europäischen Versicherungen investierte Vermögenswerte, in Milliarden Euro

Ein Fall für sich

Als Investoren sind Versicherungsgesellschaften ein Fall für sich, da sie nicht selbst Abwägungen zwischen Risiko und Rendite treffen können. Nagler: „Solvabilität II schreibt vor, wie viel Kapital für jede Anlageklasse zurückbehalten werden muss. Diese Kapitalanforderungen üben einen starken Druck auf die Renditen aus.“ Private Equity scheint zum Beispiel sehr gut für langfristige Investoren wie Versicherungsgesellschaften geeignet zu sein, aber dafür müssen 49 Prozent beiseitegelegt werden. Aktieninvestitionen erfordern 40 Prozent ‚totes Kapital‘. Die Rendite solcher Anlageklassen muss also mindestens doppelt so hoch sein wie von Kategorien wie Staatsanleihen, damit sie interessant sind.

Vermögensallokation europäischer Versicherungen Ende Q1 2025

Dennoch fand in den letzten Jahren eine Verlagerung von Staatsanleihen hin zu anderen Anlagen, einschließlich Aktien, statt. Aber es seien vor allem Unternehmensanleihen und private Schuldtitel – und in geringem Maße auch Immobilien – gewesen, die davon profitierten hätten, so Nagler. „Die Jahre mit minimalen oder sogar negativen Zinssätzen zwangen die Versicherungsgesellschaften, sich nach Alternativen umzusehen. Aber sie haben ihre Vorliebe für festverzinsliche Wertpapiere beibehalten; diese Kategorie macht weiterhin 80 bis 90 Prozent ihrer Bilanz aus. Direktkredite stiegen stark an, ebenso Unternehmensanleihen, einschließlich Hochzinsanleihen. Belgische und französische Versicherungsgesellschaften haben zudem den niederländischen Hypothekenmarkt für sich entdeckt.“ Niederländische Versicherungsgesellschaften reduzierten ihre Beteiligungen in dieser Kategorie hingegen, teilweise aufgrund des Drucks von Rentenfonds, die sich in den letzten Jahren stark in Wohnungsbaudarlehen engagiert haben.

Infrastrukturfonds

Neben Direktkrediten wurden auch andere Formen privater Schuldtitel immer beliebter, insbesondere Infrastrukturfonds. In Frankreich haben sich diese Investitionen innerhalb von fünf Jahren auf mehr als 25 Milliarden Euro verdoppelt. Niederländische Versicherungsgesellschaften hielten diese Anlagen vor fünf Jahren kaum für interessant, haben aber jetzt über 2,3 Milliarden Euro in sie investiert. Schroders macht sich seit 2012 für diese Kategorie stark, insbesondere für das Sub-Investment-Grade-Segment. „Die Kapitalanforderungen für dieses Segment sind günstig“, sagt Nagler. „Und wir erwarten, dass die Regelung noch flexibler wird. Die Änderung von Solvabilität II, die 2027 in Kraft treten wird, ist nämlich noch nicht ganz fertig. Es gibt eine Menge Diskussionen darüber, wie die Details aussehen sollen, und der Kapitalbedarf für Infrastrukturinvestitionen ist ein wichtiger Teil davon.“

„Belgische und französische Versicherungsgesellschaften haben den niederländischen Hypothekenmarkt für sich entdeckt“

Dahinter steckt teilweise der Wunsch der Europäischen Union, die europäische Wirtschaft weiter anzukurbeln, aber auch der Green Deal. „Infrastrukturprojekte im Zusammenhang mit Klimawandel, Energiewende und Kreislaufwirtschaft sollten auch für Versicherungsgesellschaften besser investierbar gemacht werden“, meint Nagler.

APG vergibt Infrastrukturmandat über 425 Millionen Euro an Schroders
APG hat Schroders Capital im September dieses Jahres ein Mandat über 425 Millionen Euro erteilt, um in Kredite für Infrastrukturprojekte im Zusammenhang mit Klimawandel, Kreislaufwirtschaft, Energiewende, Abfallwirtschaft und Arbeitssicherheit zu investieren. Dies ist eine neue Strategie von Schroders, die APG als ‚Eckpfeiler-Investor‘ unterstützt. Die Strategie konzentriert sich laut Schroders auf hochverzinsliche Infrastruktur, die in verschiedenen europäischen Branchen im mittleren Marktsegment angesiedelt ist. Für APG ist es im Rahmen des Impact-Portfolios der erste Schritt zu Infrastrukturkrediten, die der Vermögensverwalter als ‚Real Asset Credit‘ bezeichnet. 

Darüber hinaus steht die Erleichterung von Verbriefungen auf der Wunschliste der Versicherungsgesellschaften. Dabei geht es sowohl darum, die Möglichkeiten der Banken, Risiken von ihrer Bilanz auf Investoren zu verlagern, auszuweiten, als auch um die Kapitalbelastung, sobald diese Investitionen in der Bilanz einer Versicherungsgesellschaft stehen. Nagler: „Jetzt kann ein hochverzinslicher Kredit eine Kapitalbindung von 20 Prozent erfordern, während eine Verbriefung solcher Kredite mit AAA-Rating eine Bindung von 36 Prozent erfordern kann.“

„Versicherungsgesellschaften mögen im Finanzsystem eine andere Funktion – vor allem Sicherheit zu bieten – haben, aber das ist kein Grund, jedes mögliche Risiko in der Anlagepolitik auszuschließen.“

Diese Anforderungen gehen auf Kosten der Renditen, die Versicherungsgesellschaften mit ihren Anlagen erzielen können. In den Niederlanden protestieren die Lebensversicherer dagegen und behaupten, dies verschärfe den Wettbewerb mit den Rentenfonds. Denn diese können immerhin beispielsweise 50 Prozent ihres Portfolios in Aktien investieren. Nagler: „Versicherungsgesellschaften mögen im Finanzsystem eine andere Funktion – vor allem Sicherheit zu bieten – haben, aber das ist kein Grund, jedes mögliche Risiko in der Anlagepolitik auszuschließen. Dann bleibt schließlich auch keine Rendite mehr übrig.“

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