Witte bloem
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KI wird die Welt verändern, aber welche Unternehmen werden am meisten von diesem Trend profitieren? Anleger, die in Trends und Themen wie KI investieren, suchen nach einem guten Maßstab, um die ‚Reinheit‘ ihrer Investitionen zu bestimmen. Das Ziel ist eine hohe Reinheit. Das wird jedoch nicht immer erreicht.

Viele große Investmentfonds und ETFs im Bereich Rüstung setzen auf Boeing-Aktien, aber der Aktienkurs des Unternehmens ist seit Monaten instabil. Der Grund: Der Unternehmensteil Defense, Space & Security erwirtschaftet zwar etwa 35 Prozent des Umsatzes des Flugzeugherstellers, das Narrativ rund um diesen Teil wird jedoch von den Leistungen des Unternehmens im Bereich der kommerziellen Luftfahrt bestimmt. Und die sind miserabel, was zum Teil auf eine Reihe technischer Zwischenfälle zurückzuführen ist. Anleger, die in Boeing investiert, mögen glauben, in die Rüstungsindustrie zu investieren, tatsächlich aber hängt die Rendite von Entwicklungen ab, die mit dieser Branche nur wenig zu tun haben.

Themenanleger sind für dieses Phänomen anfällig. Wie anfällig sie sind, hängt davon ab, wie Vermögensverwalter Themen oder Trends in konkrete Investments umsetzen. Wie stark ist die Korrelation zwischen der Performance eines Unternehmens und der Entwicklung eines festgestellten Trends? Mit anderen Worten: Wie stark ist ein Unternehmen im Bereich eines bestimmten Themas engagiert?

Anleger möchten wissen, wie ‚rein‘ ihre Investition in ein Thema ist. Investment Officer hat zwei Fiduciary Manager und den Schweizer Vermögensverwalter Pictet gefragt, welchen Maßstab sie dafür verwenden. Pictet ist laut Morningstar der weltweit größte Anbieter thematischer Investments mit über 60 Milliarden Euro, die in Themenfonds wie saubere Energie, Robotik und Umweltlösungen angelegt sind. Für jeden dieser Fonds listet der Vermögensverwalter die durchschnittliche ‚Reinheit‘ der Unternehmen, in die investiert wird, also das durchschnittliche Engagement in Bezug auf das Thema, auf. Manchmal sind es 70 Prozent oder mehr (wie bei dem bekannten Fonds Pictet Water), manchmal aber auch weniger als 50 Prozent.

„Bread and Butter“

BuffleWie bestimmt Pictet diese Reinheit? Marc-Olivier Buffle (im Bild), Leiter des thematischen Research bei Pictet, kann sich ein Lächeln bei dieser Frage nicht verkneifen. „Genau das ist unser Bread and Butter“, sagt er, „unsere Methode ist unser Geschäftsgeheimnis.“ Jedenfalls berücksichtige Pictet nicht nur den Anteil des Umsatzes, der durch ‚thematische Aktivitäten‘ erwirtschaftet wird, so Buffle, oder den Anteil des EBITDA, sondern beziehe eine ganze Reihe anderer Variablen in seine Analyse ein, um zu ermitteln, inwieweit ein Unternehmen auf einen Trend oder ein Thema ausgerichtet ist.

„Nur wenige Unternehmen berichten selbst darüber. Diese Daten findet man auch nicht auf Bloomberg. Wir beziehen die Reinheit in unsere Fundamentalanalyse über Unternehmen ein. So wie wir uns eine Meinung über die Bewertung, die Qualität des Managements und das Geschäftsmodell bilden, bilden wir uns auch eine Meinung darüber, wie viel Unterstützung das Unternehmen durch den Megatrend oder das Thema des Fonds erfährt.“

Fokus

Pictet bevorzugt eine hohe Reinheit, vor allem wegen des Fokus. „Fokus im doppelten Sinne“, sagt Buffle. „Eine hohe Reinheit ermöglicht es Anlegern, ihre Strategie präzise umzusetzen. Wenn man in saubere Energie investieren möchte, will man keine Unternehmen haben, die auch die Hälfte ihrer Einnahmen aus fossiler Energie erzielen.“ Andererseits gibt eine hohe Reinheit einem Unternehmen selbst mehr Fokus: „Die Strategie dieser Unternehmen ist auch stärker auf das Thema oder den Trend ausgerichtet. Bei Konglomeraten ist das Gegenteil der Fall: Dort muss die Aufmerksamkeit des Managements auf verschiedene Geschäftsbereiche aufgeteilt werden. Das Ziel eines solchen Unternehmens ist nicht auf ein einziges Thema ausgerichtet. Solche Unternehmen sind daher nicht unsere Präferenz.“

Eine hohe Reinheit ist jedoch nicht immer möglich. „Wir müssen auch pragmatisch sein“, meint Buffle. „Thematische Anleger haben in der Regel eine Vorliebe für Unternehmen mit geringer und mittlerer Marktkapitalisierung und wir möchten das Universum der Investmentfonds breit halten. Bei einigen Themen ist es einfacher, ‚reine‘ Unternehmen zu finden, als bei anderen. Andererseits kann die Tatsache, dass man nur wenige reine Unternehmen findet, auch bedeuten, dass man ein zu enges Thema gewählt hat. Wir sehen zum Beispiel keinen Sinn in einem Thema wie Elektrofahrzeuge.“

Thematische indizes

Die Beispiele zeigen bereits, dass Reinheit besonders im Kontext von nachhaltigen Investments wichtig ist. Auch die Fiduciary Wilse GravelandManager Van Lanschot Kempen und PGGM betonen dies. Wilse Graveland (im Bild), Leiter der Abteilung Fiduciary Management bei Van Lanschot Kempen, sagt: „Viele Pensionsfonds haben das aktive Investieren eingestellt. An dessen Stelle sind thematische Indizes getreten, die mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) verknüpft sind. Denn die Fonds wollen wählen, worin sie investieren, und jeder Fonds hat seine eigenen Präferenzen. Wir erstellen diese Indizes maßgeschneidert und Reinheit ist dabei sehr wichtig.“

Vor einigen Jahren waren APG und PGGM an der Entwicklung einer Methode zur Bestimmung des Grades der ‚Ausrichtung‘ an den SDGs, der SDI Asset Owner Platform, beteiligt. Mittlerweile zeigt diese Plattform von 10 000 Unternehmen mit einer Börsennotierung oder Obligation, welcher Anteil des Umsatzes zu den SDGs beiträgt.

Von 23 auf 30 Prozent

Gert-Jan SikkingGert-Jan Sikking (im Bild), Senior Responsible Investor Advisor bei PGGM, sagt: „PFZW verfolgt das Ziel, dass 30 Prozent seiner auf Euro lautenden Investments bis 2030 mit einem oder mehreren SDGs in Einklang stehen. Derzeit sind es 23 Prozent. Die Investmentteams müssen also weiterhin nach SDG-bezogenen Investments suchen.“ Das Ausmaß, in dem Geschäftsaktivitäten mit einem SDG übereinstimmen, wird anhand des Umsatzes bestimmt. Mehr umfasst diese Methode nicht. „Wenn ein Unternehmen 10 Prozent oder mehr seines Umsatzes mit einer solchen nachhaltigen Aktivität erzielt, betrachten wir es als ein nachhaltiges Investment. Darüber lässt sich übrigens trefflich streiten. Vor zwei Jahren haben wir zum Beispiel beschlossen, den Bau von Hybridautos nicht mehr als nachhaltig zu betrachten. Nur E-Autos, das ist jetzt die Norm.“

Um also die 30 Prozent zu erreichen, sollte PFZW nicht zu viel in Unternehmen investieren, die beispielsweise nur 10 Prozent Umsatz mit nachhaltigen Aktivitäten machen. Sikking: „Unternehmen, die 10 Prozent oder mehr Umsatz mit Aktivitäten machen, die einen negativen Beitrag zu einem SDG leisten, scheiden ohnehin aus, selbst wenn sie einen höheren positiven Beitrag leisten.“ Von den 10 000 Unternehmen bleibt daher nach der ersten Aussortierung derzeit nur ein Viertel übrig.

Optimierung

Danach ginge es um die weitere Auswahl, meint Graveland (Van Lanschot Kempen). „Ein Pensionsfonds möchte oft auf bestimmte Themen oder SDGs setzen, wodurch wieder viele Unternehmen ausscheiden. Außerdem gibt es vielleicht Ein- oder Ausschlusskriterien. Erst dann ist die Vermögensallokation an der Reihe: Welche Anlageklassen möchte man eigentlich haben? Danach folgen Portfoliooptimierung, Diversifizierung und Tracking Error. Man möchte zum Beispiel in Bezug auf Branchen und Regionen so neutral wie möglich bleiben: Auch das kann erhebliche Folgen haben.“

Der Grad der Reinheit kann in einem solchen Prozess nicht an erster Stelle stehen. Graveland: „Risiko und Rendite stellen auch ihre Anforderungen.“ Pictet halte dies ebenfalls für wichtig, wie Buffle betont: „Ein Mindeststandard an Reinheit ist ein erstes Auswahlkriterium, aber dann sind es Dinge wie Bewertung, Management und Geschäftsmodell, die die Attraktivität eines Unternehmens bestimmen. Nur wenn die Unternehmen in Bezug auf diese Merkmale vollständig übereinstimmen, können wir den Grad der Reinheit zum entscheidenden Faktor machen.“ 

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