Biggest geopolitical risk. Image: Defigners
Biggest geopolitical risk. Image: Defigners

Jahrelang wurden geopolitische Risiken hauptsächlich durch plötzliche Ereignisse ausgelöst. Für 2026 erwarten Investmentmanager und Ökonomen jedoch ein anderes Muster. Der Schwerpunkt verlagert sich auf die strukturellen Kräfte, die die Welt langsam, aber unaufhaltsam in rivalisierende Blöcke spalten.

Dies ist das Ergebnis einer Umfrage von Investment Officer unter 28 leitenden Investmentexperten von Blackrock, Fidelity, J.P.  Morgan, Goldman Sachs, Amundi und anderen. Ihre Antworten zeigen eine Entwicklung ganz deutlich: Die geopolitische Fragmentierung ist strukturell geworden.

Fragmentierte Welt

Die Rivalität zwischen den Vereinigten Staaten und China geht inzwischen weit über einen Handelsstreit hinaus. Nach Ansicht von Aegon Asset Management stellt genau diese Rivalität das größte geopolitische Risiko für das kommende Jahr dar.

„Das Hauptrisiko ist ein erneuter Handelskrieg zwischen den USA und China, vor allem wenn das derzeitige Abkommen im nächsten Jahr ausläuft“, sagt Jacob Vijverberg, Asset Allocation Lead bei Aegon AM. „China hat gezeigt, dass es Schwachstellen ausnutzen kann, zum Beispiel in Bezug auf die Lieferung seltener Erden. Neue Verhandlungen bringen neue Unsicherheit. Europa und Teile Asiens sind in dieser Hinsicht stärker gefährdet als die beiden Supermächte selbst.“

Auch MFS Investment Management sieht die Auswirkungen dieses Machtkampfes an mehreren Fronten. „Die wirtschaftliche Entkopplung zwischen den USA und China wirkt sich zunehmend auf die Weltwirtschaft aus und zwingt die Länder, sich mit den Folgen auseinanderzusetzen“, sagte Benoit Anne, Senior Managing Director bei MFS.

Anne unterscheidet drei Entwicklungen: eine weitere Entkopplung in strategischen Branchen, den globalen Wettlauf um die KI-Vormachtstellung – mit großem Energiebedarf und erhöhten Anforderungen an die Cybersicherheit – und den Vormarsch populistischer Politik, die tradierte Gewissheiten weniger verlässlich macht.

„Diese Entwicklungen erfordern eine breite Diversifizierung und die Konzentration auf widerstandsfähige Unternehmen“, sagte Anne. Schwellenländer mit solideren Staatsfinanzen könnten seiner Ansicht nach Chancen bieten.

Technologische Spannungsfelder

Technologie ist ein sichtbares Schlachtfeld in den geopolitischen Beziehungen. Die Befragten verweisen auf die Konzentration der Lieferketten für Halbleiter, Datenzentren und seltene Erden, die die Abhängigkeiten verstärkt.

Nach Ansicht von Van Lanschot Kempen verbirgt sich dahinter ein erheblicher geopolitischer Druck. „Der zunehmende Isolationismus in den USA ist möglicherweise das größte Risiko, mit einer Rückkehr des Handelskriegs“, sagte Chefökonom Luc Aben. „Breiter betrachtet wird die Wirtschaft zunehmend als geopolitisches Instrument eingesetzt – zum Beispiel von China über seltene Erden.“

Fiskalische Dominanz

Neben der Fragmentierung nennen viele Vermögensverwalter als zweiten strukturellen Risikofaktor die fiskalische Dominanz, bei der die Budgetprobleme des Staates zur Determinante der Geldpolitik werden. Die hohe Verschuldung schränkt den fiskalpolitischen Spielraum ein und erhöht gleichzeitig den Druck auf Investitionen in Verteidigung, Infrastruktur und Energiesysteme. Veränderungen in den Führungsetagen der Zentralbanken, wie bei der Federal Reserve und der EZB, können die Wahrscheinlichkeit einer politischen Einflussnahme auf die Geldpolitik erhöhen.

Ein plötzlicher Vertrauensverlust in die Staatsfinanzen könnte nach Meinung der Befragten zu starken Zinsschwankungen führen, insbesondere in Ländern mit bereits hohen Schuldenquoten. Die fiskalische Instabilität wird so zu einem geopolitischen Risiko an sich.

Militärische Eskalation

Obwohl die strukturellen Risiken überwiegen, bleibt die Möglichkeit einer akuten militärischen Eskalation bestehen. RBC BlueBay sieht zwei potenzielle Krisenherde, die die Märkte unerwartet treffen könnten.

„Angesichts der Spannungen rund um Taiwan und der anhaltenden Unterstützung für Russland bleiben die geopolitischen Risiken zentral“, sagt Kaspar Hense, Senior Portfolio Manager bei RBC BlueBay. „Aufgrund der schwächelnden russischen Wirtschaft und der dringenden Notwendigkeit für Europa, seine Verteidigungskapazitäten zu erhöhen, sind weitere Investitionen in die Aufrüstung wahrscheinlich.“

Andere Manager warnen ebenfalls vor einer Eskalation in der Ukraine oder Fehleinschätzungen in der Taiwanstraße. Die Ausweitung der Goldreserven Chinas wird von einigen als Vorbereitung auf mögliche Sanktionen gesehen.

Diversifizierung als Verteidigung

Amundi beschreibt den aktuellen geopolitischen Kontext als „kontrollierte Unordnung“. Dies zwingt die Vermögensverwalter dazu, ihre Strategien anzupassen. Die Diversifizierung über verschiedene Wirtschaftsblöcke, Branchen und Anlageklassen hinweg wird in dieser Hinsicht als wichtiges Verteidigungsmittel betrachtet. Chancen werden in Indien, Japan und europäischen Unternehmen in den Bereichen Rüstung und Energie gesehen.

Darüber hinaus gewinnen Sachwerte, Infrastruktur und Rohstoffe als Puffer gegen Unterbrechungen der Lieferketten und fiskalische Unsicherheit an Bedeutung. Gold und gezielte Währungsabsicherungen sind ebenfalls Teil der Positionierung für 2026.

Investment Officer Outlook Survey 2026
Dieser Artikel ist der letzte einer fünfteiligen Serie auf Basis einer Umfrage, die Investment Officer im November an in Europa tätige Vermögensverwalter verschickt hat. Die Ergebnisse basieren auf schriftlichen Antworten von Strategen und Investoren bei Aberdeen, Aegon Asset Management, Amundi, Blackrock, Capital Group, Cardano, Carmignac, Columbia Threadneedle Investments, Comgest, DWS, Fidelity International, Goldman Sachs Asset Management, Invesco, JP Morgan Asset Management, Legal & General Investment Management, M&G Investments, MFS Investment Management, Natixis Investment Managers, Northern Trust Asset Management, Nuveen, PGIM Fixed Income, Pictet Asset Management, RBC Bluebay, Robeco, Schroders, Triodos Investment Management, Van Lanschot Kempen und Vanguard. Zusammen verwalten diese Vermögensverwalter weltweit schätzungsweise 54,000 Milliarden Dollar, was knapp über 40 Prozent des Marktes entspricht.

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